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Zum Angriff auf das Darknet

Mitte Januar ging beim Bundesrat ein Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen ein. Der Titel des Dokuments lautet "Einführung einer eigenständigen Strafbarkeit für das Betreiben von internet-basierten Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen" (§126a StGB). Es steht im Kontext der Verhandlungen um das "IT-Sicherheitsgesetz 2.0", das die Große Koalition noch in diesem Jahr umsetzen will. Es handelt sich dabei zwar nicht im engeren Sinne, wie bisweilen beschrieben, um den Versuch eines "Tor-Verbotes", dennoch stellt das Gesetzespaket einen Rundumschlag dar, dessen Folgen bislang kaum absehbar sind. Entgegen der Behauptungen der Koalition richtet es sich keineswegs allein gegen illegale Marktplätze im Darknet; es wird auch auf Anonymisierungsknoten und Server abzielen; ebenso könnten Foren, Mailinglisten und andere Infrastruktur angegriffen werden, um Anbieter unter Druck zu setzen.

"Das ist eine große Gefahr", so Andre Meister von netzpolitik.org e.V.: gar nicht so sehr wegen drohender Verurteilungen, "sondern dass Staatsanwaltschaften damit einen Hebel für Überwachung und Hausdurchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss haben". Somit werde durch das neue Gesetz Tür und Tor geöffnet für erhebliche Eingriffe in die Privatsphäre, ohne dass dafür ein richterlicher Beschluss vorliegt, wie es nach rechtsstaatlichem Verständnis in der Strafverfolgung nötig wäre. Hausdurchsuchungen wie jene bei Mitgliedern des Vereins "Zwiebelfreunde", die vom Landgericht München noch als rechtswidrig eingestuft worden waren, oder der großangelegten Durchsuchung im Dortmunder Kulturzentrum "Langer August", die allen Betroffenen noch tief in den Knochen steckt, könnten bald zum Alltag werden.

Diese Vorstöße kommen keineswegs aus einem Vakuum, vorangegangen sind ihr zum einen die Innenministerkonferenz Ende November letzten Jahres; bei dieser stehen schon länger die gefühlten Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden im Vordergrund, denen die Anonymität im Netz ein Dorn im Auge ist. Weitere Impulse gingen vom Europäischen Polizeikongress in Berlin Mitte Februar aus: dieser richtet sich an "Angehörige der (Militär-)Polizei, des Zolls, der Kriminal- und Verfassungsschutzämter" der europäischen Länder. Günter Krings, Staatssekretär im Innenministerium, äußerte sich dort folgendermaßen: "Ich verstehe, warum das Darknet einen Nutzen in autokratischen Systemen haben kann. Aber in einer freien, offenen Demokratie gibt es meiner Meinung nach keinen legitimen Nutzen. Wer das Darknet nutzt, führt in der Regel nichts Gutes im Schilde."

Diese in der deutschen Politik gerne zur Einschränkung von Grundrechten genutzte Rhetorik entlarvt sich selbst, wenn man bedenkt, dass etwa gegen netzpolitik wegen Landesverrats ermittelt wurde, nachdem sie 2015 offengelegt hatten, wie viel Geld das umstrittene Bundesamt für Verfassungsschutz jährlich erhält (eine neunstellige Summe, die nicht etwa im offiziellen Bundeshaushalt auftaucht, sondern von einem "Vertrauensgremium" verhandelt wird). Es geht dabei weniger darum, kriminelle Aktivitäten zu unterbinden, als das Recht auf Anonymität einzuschränken, durch das Bundesdatenschutzgesetz geregelt und in den ersten beiden Artikeln des Grundgesetzes verankert ist. Gerne beruft man sich in diesem Kontext auf zwei Felder von Straftaten: Waffenhandel (etwa im Bezug auf das Attentat in München 2016) und Kinderpornographie. Dies mutet grotesk an, da es in sämtlichen zitierten Fällen zu Verurteilungen kam: "Der Beihilfeparagraph funktioniert. Es braucht keinen neuen Straftatbestand", resümiert Meister.

In den erneuten Angriffen auf bürgerliche Freiheiten drückt sich wieder einmal der Wille aus, jede Sphäre des Lebens, auf die der Staat keinen unmittelbaren Zugriff besitzt, als "rechtsfreien Raum" zu brandmarken und die inviduelle Sicherheit, die etwa durch Verschlüsselung und Anonymität von Verbindungsdaten möglich wird, rhetorisch zu einer "Sicherheit trotz Verschlüsselung" umzuformulieren, die erst durch den Staat garantiert werden könne. Armin Laschet, federführend für den eingangs erwähnten Gesetzesantrag, hat sich wiederholt als großer Freund dieser Argumentation gezeigt. netzpolitik.org halten dagegen: "Es ist wichtig, nicht nur technische Lösungen für soziale Probleme zu suchen".

Bei dem Antrag handelt es sich zunächst einmal um einen Referentenentwurf, der nun von den entsprechenden Ausschüssen verhandelt wird; er liegt bislang weder anderen Ministerien noch dem Bundestag vor. Wie viel davon in das neue IT-Sicherheitsgesetz Eingang findet, hängt dann vor allem von der SPD ab (was nichts Gutes verheißt). Es wird sich zeigen, auf welche Deals man sich in der Koalition letztlich einlässt. Dem Repressionsdruck kann indessen durchaus etwas entgegengesetzt werden, auch seitens der Universitäten. Im Interview mit Andre Meister kamen dabei einige Ideen zur Sprache: Studierende können sich durchaus auch abseits des Campus in der "großen Politik" einbringen; zum Tor- Netzwerk gehört bereits eine große Anzahl von Zugangspunkten an Hochschulen und anderen öffentlichen Einrichtungen: Campi und Bibliotheken verfügen über Bandbreite, sind öffentlich finanziert und bieten zudem Rechtssicherheit durch den besonderen Schutz, den sie nicht zuletzt durch Artikel 5 des Grundgesetzes genießen.

"Es gehört doch schließlich auch zur Idee der Universität, einen Dienst an der Menschheit zu leisten."


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