Die Stärke der #noAfD kommt von der Schwäche der #CDU/#CSU

Warum die Konservativen dringend neue Ideen brauchen

Die AfD befindet sich in einem Umfragehoch. Soweit, so schlecht. CDU-Chef Friedrich Merz findet das blöd. Soweit, so gut. Dumm nur, dass er mit seiner Kampfansage an die Grünen eine völlig falsche Antwort findet. Die Grünen sind eines der stärksten Feindbilder der Rechten und Merz hat leider noch nicht verstanden, dass der Versuch die Rechten rechts zu überholen, nur zur Stärkung der Rechten führt. Und damit auch zur Schwächung der CDU.

Warum tut er das? Es könnte billiges Kalkül sein. Vielleicht ist die CDU Merz ja herzlich egal und er will den rechten Rand stärken, weil er diese Positionen geil findet. Aber gehen wir mal nach dem Grundsatz “erkläre nichts mit böser Absicht, was du durch Unfähigkeit erklären kannst” davon aus, dass ihm einfach nichts besseres einfällt. Denn wenn wir ehrlich sind, ist der Spagat, den er zu machen hat, gar nicht mal so leicht.

Die CDU ist der größte (wenn auch nicht einzige) Partei gewordene Arm der politischen Strömung des Konservatismus. Aber was ist Konservatismus überhaupt? Der Name impliziert ja schon, dass Konservative den Zustand “konservieren”, also erhalten möchten. Im Großen und Ganzen bedeutet Konservatismus also “weiter so”.

Da ist es jetzt kein großer Logiksprung, dass häufig diejenigen konservativ sind, denen es gut geht. Im Nachkriegsdeutschland nannte man die Konservativen auch gerne mal “bürgerlich”, eine Umschreibung für Einfamilienhaus, Garten (gerne mit Gartenzwergen), ein bis zwei Autos, etc. – Leuten, denen es also sehr gut ging. Änderungen bedrohen diesen Zustand, also findet man Änderungen doof. Klingt in manchen Ohren vielleicht verwerflich, aber ist halt auch menschlich. Daher will ich den Konservativen für diesen Artikel zumindest mal keine böse Absicht unterstellen.

Es ist aber ein Grundproblem der Konservativen, dass sich Dinge nun mal ändern. Wenn das langsam vonstatten geht, kann sich auch der Konservatismus irgendwie anpassen. Schwierig wird es, wenn die Konservativen mit diesen Änderungen nicht hinterher kommen und der Druck zu einer starken Änderung steigt. Wie zum Beispiel in der Klima- und Energiepolitik. Breite Straßen voller dicker Autos, in denen einzelne Personen von ihrem Häuschen im Grünen zur Arbeit in die Stadt pendeln, Verstromung von vermeintlich billiger Kohle, das waren für die Konservativen keine Probleme, sondern das Paradies. Der Klimawandel war ein Problem, das noch weit in der Zukunft lag.

Der Klimawandel ist dabei nur ein Beispiel. Die konservative Bausparvertragspolitik hat Wohnen deutlich verteuert, die soziale Schere geht immer noch weiter auf, die Liste lässt sich noch lange erweitern. Aber bleiben wir hier beim Beispiel der Klimapolitik, weil dieses sehr anschaulich ist. Denn das Problem hat uns längst eingeholt. Extremwettereignisse nehmen zu und verursachen starke Schäden, anhaltende Dürren verknappen Lebensmittel und lassen die Preise steigen. Hier steht der Konservatismus vor einem Dilemma: Entweder er akzeptiert – vielleicht zähneknirschend – zumindest die notwendigen Änderungen oder er ignoriert das Problem und stürzt sich in kognitive Dissonanz.

Letzteres ist aber eine Spezialität der reaktionären Kräfte wie der AfD. Klimawandel und Pandemien gibt es bei denen nicht, weil sie keine Lösungen haben. Die AfD hat keine Ahnung wie sie mit steigenden Lebensmittelpreisen umgeht, aber sie redet sehr viel darüber, wie sie gegenderte Sprache bekämpfen, Migranten schikanieren oder Transmenschen auf die “richtige” Toilette zwingen wollen. Sie präsentieren viele Meinungen, aber kaum Lösungen. Letzteres ist ja auch deutlich schwieriger.

Und dennoch verfängt dieser Kopf-in-den-Sand-Ansatz in Zeiten großer Veränderungen bei vielen konservativen Wählern. Da scheint es auf den ersten Blick die einfache Antwort zu sein, diesen Wählern bei der CDU etwas zu bieten, indem man die gleichen Ressentiments bedient, zum Beispiel auf den Grünen herumhackt. Das Problem ist aber, dass die Reaktionären das einfach so viel besser drauf haben, als die Konservativen. Wenn dann die CDU die AfD-Positionen adelt, indem sie sich ernsthaft damit auseinander setzen, gewinnt am Ende nur die AfD, nicht die CDU.

Den konservativen Kräfte von CDU über CSU bis Freie Wähler bleibt also nur die andere Option: Lösungen präsentieren. Denn hier liegt der große Vorteil erfahrener, gut vernetzter politischer Gruppierungen wie der CDU. Elektroautos und Wärmepumpen zum Beispiel hätte sich die Union schon längst zu eigen machen sollen. “Du kannst dein Wohnzimmer immer noch auf 26°C heizen, du musst nur eine effiziente Heizung einbauen!” oder “Du musst nicht auf’s Auto verzichten, du musst nur Strom statt Diesel tanken!” sind extrem konservative Positionen. Natürlich sind auch diese mit Veränderungen verbunden, aber halt bei Weitem nicht so großen. Und auch Konservative können sich weiterentwickeln, sonst wären sie alle auch heute noch Monarchisten.

Sind solche Mini-Ansätze ausreichend? Nicht wenn man mich fragt, aber ich bin eben auch kein Konservativer. Zu erwarten, dass die CDU morgen effiziente Wohn- und Verkehrsräume fordert, auch wenn sie zu Lasten von Einfamilienhäusern im Grünen und Privat-PKWs gehen, ist unrealistisch. Konservative spielen eine andere Rolle im politischen Wettstreit der Ideen. Der entscheidende Punkt ist, dass sie in diesen Wettstreit der Ideen einsteigen und die anderen demokratischen Parteien vor sich her treiben, statt immer weiter im Sumpf der Ignoranz von Klima- und Pandemieleugnern zu versinken. Dann klappt’s auch damit die AfD wieder in ihre Schranken zu verweisen.