- Atusko Fukushima
- Atsushi Haneishi
- Yoko Shimozawa
- Ryota Sono
- Kinue Suzuki
1. Atsuko Fukushima (evakuiert aus der Präfektur Fukushima)
Rückblick einer freiwillig Evakuierten auf ihre gesundheitliche Entwicklung und die ihrer Kinder nach dem Reaktorunglück
Das Fukushima Daiichi- AKW - Reaktorunglück, begonnen am 11.März 2011, hat seitdem die Lebensdauer der Bewohner von Fukushima und ihrer Nachbarregionen sicherlich verkürzt und lässt sie immer noch kürzer werden.
Die jetzige Situation ist nicht mehr nur „die Explosion des Reaktors“, sondern kann als „ die Katastrophe nach dem Unfall“ bezeichnet werden, die vom Staat und der Großfirma Tepco gemeinsam verursacht wurde. Es gibt weder eine Aussicht auf ein Ende der Aufräumarbeiten, noch ist die konkrete Arbeit an den havarierten Reaktoren merklich vorangegangen. Die Regierung plant ein „Recycling“ der gesammelten, kontaminierten Erde; das ist ein Vorgang der einer Gewalttat ähnelt und ist ein Recyclingsversuch, der ohne die Befragung der betroffenen Bewohner durchgesetzt wurde. Es ist der Versuch, die mit vielen radioaktiven Stoffen verseuchte Erde aus dem kontaminierten Gebiet wegzubringen. Währenddessen wurden die Bewohner in Fukushima und ihren Nachbargebieten gezwungen, in diesem Umfeld ohne Schutz vor immensen radioaktiven Stäuben und ohne entsprechende Informationen, weiter zu leben.
Den Wunsch der vor der Exposition radioaktiver Stoffe geflüchtet Menschen, die benötigte Hilfe durch entstandene wirtschaftlichen Probleme und auch Probleme zur Bewältigung des Alltags mit ihren Kindern zu erhalten, diesen Wunsch mussten die Regierung und die Staatsverwaltung schon lange kennen.
Trotzdem hat die Regierung von „der Notwendigkeit der Selbständigkeit der evakuierten Menschen“ gesprochen und mit dieser absurden These raubte sie den Evakuierten ihre Wohnungen und ließ die Miete ungerechterweise verdoppeln, wenn die Evakuierten nicht ausziehen konnten.
Die Regierung zeigt damit ihren Willen, diese Menschen nach Hause zu schicken, und die Unterstützung für ihre Wohnungen stillschweigend, stetig und seelenruhig zu kappen. Das Problem trifft nicht nur die freiwillig Evakuierten, sondern auch die Zwangsevakuierten. Im April 2019 wurde der Evakuierungsbefehl für einen Teil von Okuma- Machi aufgehoben, so dass es seither keine Unterstützung mehr für die betroffenen Bewohner gibt. Die Menschen dort haben jetzt keine lebensnotwendige Basis mehr und leiden deshalb sowohl körperlich als auch seelisch.
Jetzt möchte ich meine private Situation schildern. Am 12.3.2011 habe ich die Stadt Minamisoma, Präfektur Fukushima verlassen, bin in verschiedene Orten umgezogen, und jetzt ist mein Fluchtort die Stadt Kyotanabe in der Präfektur Kyoto. Die Präfektur hat für die Evakuierte Notunterkünfte angeboten, so konnte ich dorthin ziehen und arbeite seitdem den ganzen Tag, um meine zwei Kinder zu ernähren, wobei ich mich bemüht habe, nun an diesem neuen Umfeld, so schnell wie möglich anzupassen. Um den Unterschied zwischen dem hiesigen Alltag und dem früheren lebendigen Alltag in Minamisoma für meine Kinder (damals 2. bzw. 5. Klasse) möglichst klein zu halten, habe ich bis jetzt so in Kyoto gelebt.
Den Anlass, ein Erlebnis aufgrund dieser ich hier meine Erfahrungen aufschreibe, möchte ich hier vorstellen : Mein Teilnahme an „dem dritten Zusammentreffen der zweiten und dritten Generation nach der Exposition von Atombomben“; Kennenlernen und Solidarität. Diese landesweite Versammlung wurde von „dem Kyototer Verein der zweiten und dritten Generation seit der Exposition“ veranstaltet. Die Vereinsmitglieder haben Eltern und/ oder Großeltern, die in Hiroshima oder in Nagasaki von Atombomben verletzt wurden. Der Verein hat das Ziel, die eigene Gesundheit und das Leben zu schützen, den Frieden in der Welt zu verwirklichen, und die Abschaffung von Atomwaffen, damit sich solch grausame Katastrophen niemals wiederholen werde. Sie haben uns, den verletzte Menschen der „Katastrophe nach dem Reaktorunglück“, ein außerordentliches Mitgefühl geschenkt.
Am zweiten Tag gab es Workshops und ich habe an einem teilgenommen mit dem Thema: „Gespräch über gesundheitliche Probleme der 2. und 3. Generation und Maßnahmen dagegen“.
Beim Kennenlernen hörte ich etwas über die gesundheitliche Entwicklung seit der Kindheit dieser Teilnehmer und fand viele Gemeinsamkeiten mit meinen Erlebnissen. Ich musste meine fehlerhaften Bemühungen reflektieren, aber stellte auch viele Gemeinsamkeiten fest: starkes Nasenbluten seit dem Kleinkindalter; Übelkeit als Kind beim Busfahren; normalerweise fühlt man sich gesund, aber nach dem Sport bekam ich Ekzeme; bei starker Müdigkeit war die Schilddrüse geschwollen; eine Frau hielt erst sowohl eine Heirat als auch einen Kindesgeburt für ausgeschlossen; man hatte totgeborene Geschwister; Finger- und Fußnägeln lösten sich; etc.
Ich habe das Nasenbluten selbst mit zwei anderen Menschen gleichzeitig erlebt, als ich Mitte März 2011 bei einer Notunterkunft in Fukushima war. Nach meiner zweiten Flucht im April nach Kyoto lösten sich die zwei kleinsten Zehen von meinen Füßen, ohne Schmerzen während des Bades, woran ich mich beim Workshop augenblicklich erinnerte. Bei meinen beiden Töchtern war die Sehkraft sofort nach der Flucht stark beeinträchtigt, so dass sie eine Brille brauchten. Bei meiner älteren Tochter verschlechterte sich ein atopisches Ekzem. Als ich die Gartenerde aus Minamisoma nach Kyoto mitbrachte und vor dem Eingang aufstellte, um die Radioaktivität zu messen, schwoll das Gesicht meiner Jüngeren an. Ich bekam auch einen Heuschnupfen ähnliche Symptome, wenn ich immer wieder nach Minamisoma fuhr. Heutzutage wird dieses Symptom „radioaktive Allergie“ genannt.
Was ich bei meiner Teilnahme an vielen Veranstaltungen über die gesundheitlichen Schäden im Bezug auf Umweltverschmutzung, über Epidemiologie und weltweite Schäden nach den Unfällen von Atomkraftwerken erfahren habe, brachte mich zu der Schlussfolgerung, dass das genaue Erfassen der gesundheitlichen Schäden der von dem Unglück betroffenen Menschen höchst notwendig ist. Auf dieser Basis soll man die politischen Maßnahmen für die Entschädigungen ohne Wenn und Aber ergreifen, damit das Problem gelöst wird. Ich kam auch zu dem Gedanken, dass niemand mehr Hibakusha wie wir werden soll und dass man für die Zukunft dafür sorgen muss, dass auch Hibakusha einen ruhigen und sicheren Alltag führen können.
Jetzt, 8 Jahre nach der Katastrophe, dokumentiere ich die gesundheitliche Situation meiner beiden Töchtern und mir, und jetzt wird mir allmählich klar, warum die tatsächliche gesundheitliche Situation von Hibakusha nach den Bombenexplosionen bisher kaum veröffentlicht wurde. Man braucht dazu unglaublichen Mut und außerordentliche seelische Vorbereitung, um Leser über den eigenen Körper, besonders die inneren Organe „einfach offen, unverblümt und sachlich“ zu informieren. Trotzdem ist das für mich eine Freude, wenn viele konkrete Daten gesammelt werden, und das dadurch manche Menschen etwas Nützliches finden können, so dass mein Dokument zum Erhalt der Gesundheit der Menschen beitragen kann; und ich möchte verhindern, dass der Reaktorunfall völlig vergessen bzw. ignoriert wird.
Vom 13.3 bis 1.4.2011
- Wenn wir, beide Töchter und die Autorin, in unserer Notunterkunft (Iisaka-machi, Stadt Fukushima) ausgingen, trugen wir immer einen Einmalmundschutz und eine Mütze.
Die Autorin hatte Beschwerden, die sich anfühlten, wie stets irgendwie betrunken zu sein. Am 15.1. hatte sie Nasenbluten. Ihr Stuhlgang war dauernd zu weich.
Die ältere Tochter nahm am 15.3. 2011 statt Jodtabletten zur Stabilisierung eine kleine Menge Gurgelmittel ein. Mitte März konnte sie eine Woche lang ihren Hals nicht mehr frei drehen.
(als ob sie beim Schlafen den Hals verrenkt hätte. Behandlung mit Umschlägen.)
Frühsommer vom 2011:
Die ältere Tochter hat an einer Untersuchung der Präfektur Fukushima über „die psychische Gesundheit und Lebensgewohnheit“ teilgenommen. Sie wurde Schlafwanderin und besuchte mehrmals eine Beratungsstelle für Kinder in Süd-Kyoto.
Februar 2012
Die ältere Tochter und die Jüngere erhalten medizinische Untersuchungen in Kyoto. Bei Beiden war der ALP-Wert gegenüber dem Normwert mehr als zweifach erhört. (Die alkalische Phosphatase ist ein Enzym. Der Wert ist ein Indikator für die Schädigung von Leber, Knochen, Dünndarm etc.). Bei den weißen Blutkörperchen war der Neutrophiler unter der Norm. Bei der Jüngeren lagen die Werte von Lymphozyten und auch von atypischen Lymphozyten über der Norm.
So wie ihre Töchter vorher erhielt auch die Autorin eine medizinische Untersuchung in Kyoto. Ihre Werte der Gammaglobuline, TTT, ZTT (Leberfunktion) lagen über der Norm.
Hämoglobin, Hämatokrit, MCV, MCH, MCHC (Funktion der roten Blutkörperchen) lagen unter der Norm. Von den weißen Blutkörperchen lag Neutrophiler unter der Norm und atypische Lymphozyten über der Norm.
März 2012
Beide Töchter nahmen an einer Gesundheitsuntersuchung für die Kinder der Präfektur Fukushima teil. Neutrophiler lag bei ihnen unter der Norm. Bei der Älteren lag Eosinophiler Granulozyt über der Norm, bei der Jüngeren lag Neutrophiler unter der Norm. Bei Beiden lag die Lymphozyten über der Norm.
Frühsommer 2013
Die Autorin nickte plötzlich während der Fahrt ihres PKWs ein und verursachte einen kleinen Blechschaden. Keine Verletzung.
Oktober 2013
Die Autorin wurde wegen Divertikulitis für 9 Tagen stationär behandelt. Anämie wurde auch behandelt.
Dezember 2013
Bei beiden Töchtern und bei der Autorin wurden in der Präfektur Fukushima Radioaktivitäts-Messungen durchgeführt.
Eine berechnete radioaktive Menge für ein Kind bzw. einen Erwachsenen, das oder der in der Tat einmal eine Exposition gehabt hat: Effektive Dosis für die nächsten Lebensdauer (70 J. für Kinder, 50 J. für Erwachsene); alle drei hatten unter einem 1 mSv. Körperoberfläche keine Radioaktivität gezeigt.
Mit dem vertikalen Ganzkörperzähler WBC wurden sie für 120 Sekunden gemessen. Kein Befund von Cs 134 (Messgrenze 150 Bq) auch kein Befund von Cs 134 (Messgrenze 170 Bq)
Mai 2014
Die jüngere Tochter hatte ein geschwollenes Gesicht, besonders um die Augenlider. Auch nach der Untersuchung, wegen einer möglichen Allergie, blieb die Ursache unklar.
August 2015
Beide Töchter hatten die Schilddrüsenuntersuchung der Präfektur Fukushima. Ergebnis: A2
Februar 2016
Die Autorin wurde für eine Enukleation der ganzen Gebärmutter, wegen eines Myoms, operiert und war ca. zwei Wochen im Krankenhaus. (Bei ihr war bereits 2010 aus dem gleichen Grund mit Laser ein Gebärmuttermyom operiert worden.)
Januar 2017
Beide Töchter hatten die Schilddrüsenuntersuchung der Präfektur Fukushima – Ergebnis: A2
September 2017
Bei beiden Töchtern wurden die Schilddrüsen in Kyoto im Auftrag der Präfektur Fukushima untersucht. Ergebnis: A2. Bei der Älteren war Eosinophiler Granulozyt über der Norm.
Die Autorin nach der Untersuchung in Kyoto, Ergebnis: Knoten an der Schilddrüse
April 2019
Bei beiden Töchtern wurden die Schilddrüsen in Kyoto im Auftrag der Präfektur Fukushima untersucht. Ergebnis: A2. Die Autorin wurde auch untersucht. Ergebnis: Knoten an der Schilddrüse. Weiter unter Beobachtung.
„A2“ bedeutet der Fall, dass die Schilddrüse mit dem Ultraschall untersucht wird und sie eine oder mehrere Zysten, kleiner als 20 mm, oder eine oder mehrere Knoten, kleiner als 5 mm, hat. (Anmerkung der Übersetzerin nach der Info von der medizinischen Hochschule Fukushima)
http://fukushima-mimamori.jp/qanda/thyroid-examination/thyroid-exam-result/000162.html
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