Das bringt mich zu meinem dritten Eintrag. Es ist der Wichtigste.
Die Kapazität des Gesundheitssystems in Deutschland wird aus oben genannten Gründen sehr schnell überfordert sein.
Wir müssen somit die Infektionen so lange wie möglich hinauszögern. Das geht nur, wenn es zu massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommt. Auf diesem Weg wird der Virus nur langsam weiter gegeben und die Menschen erkranken nacheinander. Läuft alles weiter wie bisher, dann werden sich Tausende gleichzeitig infizieren.
Die nächsten 3-4 Wochen spielen hierbei eine kritische Rolle. Machen die Menschen weiter wie bisher, gehen sie gemütlich Kaffee trinken und sitzen mit 50 Personen bei der Geburtstagsfeier von Tante Irma - dann werden sich im Mai die Leichensäcke stapeln.
Wir haben ausschließlich in den nächsten Wochen Zeit das Virus zu verlangsamen.
Warum ist das wichtig? Coronavirus macht eine Lungenentzündung. Viele Menschen müssen in dieser Phase ins Krankenhaus. Sie brauchen ein wenig Sauerstoff, ihr Körper bekämpft das Virus und sie gehen nach 1-2 Wochen wieder nach Hause. Das ist die Mehrzahl. Kommt ein Patient nach dem anderen, weil der Virus langsam verteilt wurde, dann können wir die Menschen geordnet behandeln. Einige müssen auf die Intensivstation, wenige (2%) werden sterben.
Infizieren wir uns aber alle innerhalb weniger Tage oder Wochen gegenseitig, dann erkranken die Menschen auch fast gleichzeitig. Alle wollen dann ins Krankenhaus, weil sie starke Atemnot haben. Das ist ein Problem.
10-20% von den Menschen, die wegen Corona in Krankenhäuser kommen, brauchen nämlich eine Intensivstation, um zu überleben. Wir müssen ihnen mit Beatmungsgeräten beim Atmen helfen. Ihre Lunge ist steif von der Entzündung und außerdem transportiert sie zu wenig Sauerstoff in den Körper. Sind alle Beatmungsgeräte gerade belegt, dann sterben diese Menschen. Und Beatmung kann dauern. Wir haben Patienten oft viele Wochen am Beatmungsgerät, bis wir sie davon entwöhnen können. Diesen Prozess nennt man Weaning.
Je weniger Menschen also gleichzeitig an ein Beatmungsgerät müssen, desto besser. Es wird der Zeitpunkt kommen, wo wir Ärzte entscheiden müssen, wer gerettet wird, und wer das Spiel verloren hat.
Ob zu diesem Zeitpunkt nur 4 auf ein Beatmungsgerät warten, oder 50, das entscheidet ihr da draußen in den nächsten Wochen. Jeder, der jetzt noch große Treffen organisiert, sich unbedacht im öffentlichen Raum bewegt, gemütlich im vollen kuscheligen Kaffeehaus sitzt, der hat Mitschuld am Tod dieser Menschen.
Sind die nächsten Wochen durch, gibt es kein zurück mehr. Alea iacta est - die Würfel sind gefallen (lat. korrekt »der Würfel ist geworfen worden«). Es gibt keine zweite Chance.
Darin liegt der Grund, warum Länder 2% Sterblichkeit und andere 10% oder mehr haben. Die Kapazitäten sind irgendwann erschöpft, die Menschen sterben. In Italien werden derzeit viele gar nicht mehr zu einer Klinik transportiert.
Ich empfehle folgenden Beitrag: https://www.welt.de/vermischtes/article206551433/Coronavirus-in-Italien-Aerzte-berichten-aus-den-Krankenhaeusern.html möchte aber dringend empfehlen keine Zeitungen (Spiegel, Welt, Lokalblätter ...) als Nachrichtenquelle für aktuelle Informationen zu verwenden (siehe mein erster Beitrag).
Ist nach 4 Wochen alles gut? Nein. Die harte Zeit beginnt Mitte bis Ende April. Die Coronaplage wird uns Monate beschäftigen. Je früher wir damit durch sind, desto schlechter, desto mehr Tote.
Und die Politik? Die Politik präferiert die übliche Vorgehensweise. Besser wenig machen und wieder gewählt werden, als harte Einschnitte und die Bevölkerung verärgern. Schulschließungen alleine (Stand 13.03.) werden nicht reichen. Tatsächlich hat Österreich hier einen guten Mittelweg gewählt.
Die gute Nachricht: Es macht keinen Sinn, diese strengen Regeln lange aufrechtzuerhalten. Dazu aber mehr, wenn es so weit ist.
Sei kein Arschloch. Bleib zuhause. Schränke dich ein. Zumindest 3-4 Wochen.
Warum ich das so drastisch schildere? Jeder von euch da draußen hat jetzt die Möglichkeit mit Nichtstun Menschen zu retten. Wann geht das schon?
Bild: Wikimedia by Daniel Lobo, CC BY 2.0
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