Was in der Landwirtschaft schief läuft

In der Landwirtschaft läuft in meinen Augen einiges schief. Soweit ich als Laie und Unbeteiliger beurteilen kann, habe ich das mal zusammen getragen.

Vorab... Warum ich das schreibe? Gute Frage, mir war gerade danach. Ich bin immer wieder mal in der Landwirtschaft unterwegs, und da bekommt man einiges mit. Ich werde hier nicht groß recherchieren und euch irgendwelche fundierten Quellen suchen, sondern das erzählen, was ich so aufgeschnappt, gehört und erfahren habe.

So, nu gehts aber auch los...

Starten wir mit einem Gedankenexperiment.

Ihr geht in einen Schuhladen, seht dort ein hochwertiges Paar Schuhe was euch gut gefällt, ihr wollt es kaufen. Ihr geht zur Kasse, legt dem Verkäufer 40€ auf den Tisch, und sagt 'Das zahle ich dir für die Schuhe'.

Was meint ihr, wie würde der Verkäufer reagieren? Sicherlich nicht mit 'Ja gerne, ist okay'. Schon gar nicht, wenn er sich einen Preis z.B. jenseits der 100€ überlegt hatte.

Und genau da haben wir schon das erste, in meinen Augen massive Problem.

In soweit ich weiß nahezu allen Branchen ist es so, dass es z.B. bei der Produktherstellung jemanden gibt, der die Ressourcen besitzt, jemanden der diese verarbeitet, ggf noch verschiedene Zwischenhändler und weitere die dafür sorgen, dass das Produkt am Ende ist was es sein soll. Jeder der Beteiligten hat gewisse Fixkosten und Ausgaben die bezahlt werden wollen. Im besten Falle bleibt noch ein bisschen was über, was man dann mit nach Hause nehmen kann, um z.B. seine Familie zu ernähren. Das heißt, letztendlich hat jeder Beteiligte einen bestimmten Preis, welcher letztendlich auf den Endpreis aufgeschlagen wird. So werden dann die Ressourcen für sagen wir 10€ eingekauft, der Zwischenhändler möchte vlt noch 5€ für Lagerung haben, der Verarbeitende hat Kosten in Höhe von 15€, möchte dazu noch was verdienen, schlägt also vielleicht noch einmal 17€ auf den Preis oben drauf. Dann will der Verkäufer noch was verdienen, und zack sind wir bei einem Produktpreis von sagen wir 45€, die der Endkunde zu zahlen hat. Jeder der Beteiligten bekommt im besten Falle seine Kosten gedeckt, und hat einen Gewinn gemacht.

Warum ich das geschildert habe? Ganz einfach... Weil es in der Landwirtschaft eben nicht so ist...

Habt ihr euch schon mal dabei erwischt, wie ihr extra weil Lebensmittel im Angebot waren in den Supermarkt gefahren seid, um diese Lebensmittel für den günstigeren Preis zu erwerben? Habt ihr euch dabei schon mal gefragt, wie der Preisunterschied zu Stande kommt, und wer in der Produktionskette den Verlust bzw. geringeren Verdienst verzeichnet? Heißer Tipp: Der Supermarkt ist es nicht.

In der Landwirtschaft gehen nicht die Landwirte zum Großhändler und sagen dem ihren Preis, für den sie ihre Ware verkaufen würden. In der Landwirtschaft überlegt sich der Supermarkt, für welchen Preis ein bestimmtes Produkt nun in der nächsten Woche verkauft werden soll. Nehmen wir als Beispiel ein Kilo Kartoffeln. Sagen wir, der Supermarkt möchte das Kilo Kartoffeln für 1€ an seine Kunden, also an dich und mich, verkaufen. Dann rechnet er sich durch, wie viel Gewinn er machen muss, und sagt dem Großhändler, zu welchem Preis er das Kilo Kartoffeln vom Großhändler kaufen würde. Sagen wir 70ct das Kilo. Daraufhin geht dann der Großhändler zum Erzeuger und sagt ihm seinen Preis, den er dem Erzeuger für ein Kilo Kartoffeln zahlen würde. Sagen wir mal 40ct das Kilo.

Der Erzeuger hat daraufhin genau zwei Möglichkeiten. Entweder, er nimmt den Preis an und bleibt in dem Topf der Erzeuger von dem der Großhändler Ware kauft, oder er lehnt den Preis ab und sagt, dass er für den Preis nicht verkauft, und fliegt damit oft im selben Moment aus dem Pool an Erzeugern, bei dem der Großhändler einkauft.

Was würdet ihr tun an Stelle des Erzeugers?

Dabei müsst ihr bitte folgendes bedenken.

Ihr habt die Kartoffeln vor Monaten gepflanzt, seit dem Unmengen an Arbeit investiert, damit die Pflanzen richtig wachsen. So z.B. in trockenen Zeiten Unmengen (teures) Wasser, ggf. Dünger aus gebracht, und einfach auch jede Menge Zeit investiert, sowie die entsprechenden Maschinen vorgehalten und genutzt. Das alles kostet natürlich eine nicht unerhebliche Summe Geld. Wenn ihr euch das nun durch gerechnet habt, und nun aber auf einen Kilopreis von 60ct und nicht auf die 40ct vom Großhändler kommt, was würdet ihr tun? Riskieren, dass ihr eure Ware gar nicht los werdet? Riskieren, dass ihr aus der Erzeugerkartei des Großhändlers fliegt?

Sicherlich nicht... Zumindest nicht alleine als einziger Erzeuger. Ihr würdet also verkaufen, und das im schlimmsten Falle schon mit Verlust. Wenn ihr Pech habt, werdet ihr aber vom Großhändler auch gar nicht gefragt ob ihr Kartoffeln verkaufen möchtet, weil die Kartoffeln aus dem Ausland vielleicht viel günstiger sind als eure, und dort die Gewinnspanne entsprechend größer ist. Dann seid ihr ganz massiv in Vorleistung gegangen, und werdet nun aber eure Ware nicht los.

Da kann mir keiner erzählen, dass das fair zu geht. V.a. wenn der Supermarkt das Kilo Kartoffeln in der Folgewoche für 20ct weniger verkaufen will. Dann bekommt der Erzeuger eben nur noch 20ct pro Kilo Kartoffeln. Also noch weniger Gewinn bzw Einkommen.

Wärt ihr dann begeistert, wenn ihr in der Werbung vom Supermarkt seht, dass die Kartoffeln nächste Woche im Angebot sind, und du schon weißt, dass dir hunderte Euros dadurch verloren gehen? Und ihr faktisch kaum etwas dagegen tun könnt?

Und nun überlegt doch mal, was würdet ihr in der nächsten Saison versuchen? Richtig... Eure Produktionskosten runter zu bekommen, um den eventuell entstandenen Verlus wieder auszugleichen. Wo könnte man denn in so einer Situation sparen? Bzw. wo könnte man denn noch mehr raus holen?

Richtig.. Man kann düngen. Denn dann steigt der Ertrag, und du hast letztendlich mehr was du verkaufen kannst, du hast also höhere Einnahmen.

Und wenn das nun aber nicht reicht? Wo kannst du dann sparen? Na ja... An den Löhnen z.B. Du kannst es dir dann vielleicht nicht erlauben deine Mitarbeiter so zu bezahlen, wie du es gerne würdest. Eventuell musst du mit deinen Lohnkosten ans Minimum heran gehen, auch wenn du das gar nicht möchtest... Es bleibt dir manchmal keine Wahl. Und nun stellt euch bitte genau eine Frage. Würdet ihr für Mindestlohn den ganzen Tag bei jedem Wetter auf dem Feld arbeiten wollen? Dort Arbeit verrichten, die körperlich sehr anstrengend ist? Vermutlich lautete die Antwort auf diese Frage klar 'nein!'. Was auch irgendwo verständlich ist. Denn mit der Arbeit schadet ihr eurem Körper auf einer Ebene langfristig gesehen. Und dann nur für Mindestlohn?! Sicher nicht, werdet ihr euch denken... Und trotzdem muss die Arbeit erledigt werden. Denn wir alle wollen gerne etwas zu Essen haben, oder? Also woher nehmen, die Arbeitskraft... Nun ja, wie sicherlich bekannt ist, fällt die Wahl da meistens auf ausländische Bürger, die für die Hauptsaison hier her kommen um zu arbeiten. Und nein, diese Arbeitskräfte sind nicht aus Prinzip alle besser als deutsche Arbeitskräfte. Sie sind nur mehr oder weniger die einzigen Personen, die bereit sind diese Arbeit für den Lohn zu leisten. Und damit dann oft die einzige "Wahl" für Erzeuger. Und nur weil diese Personen bereit sind, die Arbeit zu verrichten, heißt das auch noch lange nicht, dass sie das gut machen, dass das alles reibungslos läuft und und und. Im Gegenteil. Es gibt soweit ich das mitbekomme, immer wieder Konflikte und Probleme mit genannten Mitarbeitern. Aber wie gesagt, Alternativen gibt es kaum.

Was viele vielleicht auch nicht wissen: Hinter Gemüsebau steckt unfassbar viel Handarbeit. Um solche Arbeiten wie die Pflege und Ernte von Gemüse mit Maschinen zu erledigen braucht es Maschinen die ein Vermögen kosten. Das kann sich schlicht einfach nicht jeder leisten. Daher kommt es durchaus vor, dass jedes Gemüse was ihr letztendlich im Supermarkt kauft, vorher schon mehrere Male von verschiedenen Leuten einzeln angefasst werden musste. Sei es bei der Ernte, beim Verpacken, oder bei welchem Arbeitsschritt auch immer. Und nicht selten passiert sowas bei genau dem Wetter, wo die meisten am liebsten am Strand liegen, im Pool oder dem Meer baden, oder im kühlen Haus entspannen. Habt ihr schon mal bei 40°C in der prallen Mittagssonne Gemüse geerntet? Mit langen Klamotten, weil ihr euch mit kurzen Klamotten an den Pflanzen sonst stark verletzen würdet? Ich gehe mal davon aus, dass das die wenigsten schon mal gemacht habe. Und alle die das schon mal gemacht haben: meinen größten Respekt!

Wenn man sich das alles mal bewusst macht, geht man dann immer noch guten Gewissens in den Supermarkt und kauft sich dort für schmales Geld frische Lebensmittel?

Was ich definitiv nicht möchte: Leuten, die sehr auf das Geld achten müssen davon zu überzeugen, jetzt doch bitte die Lebensmittel nicht mehr für den günstigsten Preis zu kaufen. Letztendlich sollte das erste Ziel sein, dass alle mit Lebensmitteln versorgt sind, dann kann man weiter schauen.

Was ich möchte: Ein gewisses Bewusstsein dafür zu schaffen, was da eigentlich alles hinter steckt, dass wir täglich volle Regale im Supermarkt haben, und dass das eben keine Selbstverständlichkeit ist. Und, dass man nicht so einfach sagen kann, dass "die Landwirte doch einfach mal vernünftige Preise fordern sollen". Denn wie oben erläutert interessiert es in der Wirtschaftskette quasi nicht, was die Landwirte zu den Preisen sagen. Entweder den Preis akzeptieren, oder du fliegst raus.

Wo wir in meinen Augen was ändern müssen, ist bei der Preispolitik, und v.a. bei dem Bewusstsein der Leute über den Hintergrund von Dingen, die wir heute als selbstverständlich ansehen.

Denn eins kann ich euch sagen... Ich kenne nicht einen Landwirten, der sich denkt "nice, heute haue ich extra viel Dünger auf den Acker, extra damit die Grenzwerte im Grundwasser überschritten werden". Es mag sicherlich überall Ausnahmen geben, aber diese habe ich bis jetzt noch nicht getroffen. Im Gegenteil. Die Landwirte die ich so kenne, und von dene ich gehört habe, die sind sehr darauf bedacht, gut mit ihrem Land und ihrer Umwelt um zu gehen, und diese nicht weiter zu belasten als nötig. Denn sie wissen genau, dass das ihre Zukunft ist. Sie wissen die Umwelt zu schätzen, wissen wie wichtig sie für uns ist.

Und vielleicht denkt der ein oder andere ja daran, was ich hier so geschrieben habe, bevor er/sie/es auf die Landwirte zeigt und schreit, dass die an allem schuld sind. Denn den Preis z.B. kann nur der Verbraucher ändern in so einer Situation. Oder der Gesetzgeber. Der wird es aber vermutlich nicht, weil die Lobby sicherlich stark genug ist, und immernoch genug bei heruas springt.

Vielleicht hat euch der Text hier ja wenigstens ein wenig Aufschluss geliefert, und ihr geht nun mit einem anderen Blick durch den Supermarkt. Wenn ich das Thema wenigstens ein wenig ins Bewusstsein rufen konnte, habe ich denke ich alles erreicht was ich hiermit so erreichen kann und will.

In diesem Sinne.