Fotos: Eingeklebte Fotos digitalisieren

Ein Vergleich zwischen Google Fotoscanner, Photomyne, CamScanner und einer Spiegelreflex

Eingeklebte Fotos digitalisieren

Lose Fotos bzw. Fotos, die aus einem Album entnommen werden können und Negative zu digitalisieren war der einfache Teil. Dank Dokumentenscanner und Film-/Negativ-Scanner kommt man durch die Fotoalben relativ schnell durch und hat eine durchaus brauchbare Qualität.

Nun aber zum unschönen Teil: Fotos, die in ein Album fest eingeklebt sind, sich also nicht entnehmen lassen und bei denen es auch keine Negative mehr gibt. Glücklicherweise sind die meisten Fotos in meiner Sammlung entnehmbar. Aber es gibt auch 4 - 5 Alben, bei denen dies nicht der Fall ist. Gerade diese Fotos sind immer wieder kritisch, weil die Klebstoffe nicht unbedingt ideal für die Fotos sind. Was also tun?

Das Naheliegendste wäre wohl zunächst einen Flachbettscanner zu verwenden. Allerdings habe ich hier zwei Probleme: Erstens habe ich keinen Flachbettscanner und zweitens sind die meisten Fotoalben so dick, dass die Krümmung in der Mitte so stark ist, dass ein Einscannen mit dem Flachbettscanner unmöglich ist.

Was bleibt also übrig: Abfotografieren mit einem Smartphone, für welches es spezielle Foto-Scanner Apps gibt oder mit einer Spiegelreflexkamera (oder ähnlich guten Kamera). Schauen wir uns die unterschiedlichen Varianten näher an.

Smartphone: Google Fotoscanner App

Die Android-App, welche man am häufigsten für diesen Anwendungszweck findet, ist die Google Fotoscanner App.

Fotoscanner - Datenschutz

Grundsätzlich bin ich Google Apps gegenüber etwas skeptisch, was das Thema Datenschutz angeht. Aber die Fotoscanner App hat laut "Exodus Privacy" keinen einzigen Tracker integriert: (Stand 08.10.2020) Link zum Exodus Report

Zudem erfolgt die Verarbeitung lokal auf dem eigenen Smartphone und auch die Ergebnisse werden lokal gespeichert. Also keine Cloud im Spiel und Google bekommt von unseren Fotos nichts mit.

Fotoscanner - Preis

Den Google Fotoscanner gibt es kostenlos. Ohne InApp-Käufe, Abomodell oder Ähnliches.

Fotoscanner - Betriebssysteme

Die App ist sowohl für iOS (iPhones) als auch für Android verfügbar.

Fotoscanner - Workflow

Der Bedienung der App ist sehr intuitiv, da es auch gar nicht viele Einstellmöglichkeiten gibt. Es gibt nur zwei Optionen:

  • Smartphone Licht: aktivieren / deaktivieren (Blitz Symbol)
  • Spiegelungen entfernen: aktivieren / deaktivieren (Zauberstab)

Mit aktiver "Zauberstab-Funktion" fokussiert man nun das Foto im angezeigten Rahmen und drückt auf den Auslöser. Nun werden vier weiße große Punkte angezeigt, welche man nun jeweils nacheinander abfahren muss. Hat man dies erledigt, versucht die App alle vorhandenen Spiegelungen auf dem Foto zu entfernen und ein perfektes Ergebnis zu berechnen.

Fotoscanner Verwendung

(Zauberstab-Funktion)

Deaktiviert man die "Zauberstab-Funktion", kann man Foto für Foto abfotografieren, ohne, dass man die Punkte abfahren muss. Spiegelungen werden dann jedoch nicht entfernt.

Der Zeitunterschied ist hier immens: Mit Zauberstab braucht man circa 10 - 15 Sekunden pro Foto. Ohne Zauberstab ist das Ganze in einer Sekunde erledigt. Allerdings dann eben auch ohne Korrektur der Spiegelungen.

Die zweite Option, die Verwendung des Kameralichtes, ist zwar in der offiziellen Dokumentation der App empfohlen, ich kann diese Empfehlung jedoch nicht teilen. Aktiviere ich das Licht, sieht man bei vielen Fotos die Körnung des Fotoabzugs. Dies kann die App auch nicht herausrechnen. Also besser: Smartphone-Licht deaktivieren und für eine gute Beleuchtung im Raum sorgen. Auch dies verhindert Spiegelungen, sodass man auch die "Zauberstab-Funktion" nicht braucht und man hat kein Problem mit der Körnung.

Nach dem Abfotografieren kann man unten rechts in die Galerie gehen und sich das Ergebnis ansehen. Neben dem reinen Betrachten gibt es dort auch die Option, das Foto zu rotieren und ggf. die Ecken anzupassen. Die App versucht immer die Ränder eines Fotos korrekt zu erkennen und somit nur das eigentliche Foto darzustellen. Meiner Erfahrung nach funktioniert dies sehr gut. Sollte es mal nicht klappen, da zum Beispiel die Kontraste zwischen Foto und Fotoalbum zu gering sind, kann man entsprechend manuell nachhelfen.

Die Ergebnisse sind anschließend in der Bildergalerie des Smartphones verfügbar.

Fotoscanner - Ergebnis

Sehen wir uns das Ergebnis an. Links ist das Referenzfoto, das mit dem Dokumentenscanner Brother ADS-1200 gescannt wurde und sehr nahe an das Original herankommt:

Dokumentenscanner vs Fotoscanner

(Referenzfoto vs. Fotoscanner)

Das Ergebnis weicht farblich deutlich vom Original ab. Auch sind einige Farbdetails gar nicht wahrzunehmen, wie beispielsweise das rote Halsband des Kamels. Details sind teilweise gar nicht zu erkennen. z. B. die Finger des Reiters.

  • Dateigröße: 1,5 MB
  • Auflösung: 2000 x 1333 px

Da die Darstellung der Bilder hier im Blog nicht ideal ist, deshalb hier noch die Links zu den Originalen:

Smartphone: Photomyne

Bei meiner Recherche im Google Play Store bin ich dann noch über die App "Photomyne" für Android gestolpert.

Photomyne - Datenschutz

Schauen wir uns auch hier das Thema Datenschutz an. Laut Exodus Privacy integriert die App insgesamt 8 Tracker und benötigt 13 Berechtigungen. Unter anderem das Aufnehmen von Audio und das Deaktivieren des Ruhemodus. Wozu auch immer die App diese Berechtigungen braucht: Link zum Exodus Report

Es gibt keine Option, die Tracker zu deaktivieren.

Zur Verwendung der App benötigt man einen kostenpflichtigen Account. Hat man sich diesen angelegt, werden alle Fotos, die man mit der App erfasst, als Backup und zum Datenaustausch mit dem PC in den Clouddienst von Photmyne hochgeladen. Diese Funktion lässt sich auch nicht deaktivieren. Ein rein lokales Arbeiten ist also nicht möglich. Zudem gibt es auch keine Option, einen Account und seine Daten selbst zu löschen. Dies muss sehr umständlich über ein Support-Ticket erfolgen.

Aus Sicht des Datenschutzes: Durchgefallen mit Note 6.

Photomyne - Betriebssysteme

Die App ist für Android und iOS verfügbar.

Photomyne - Preis

Die App ist kostenpflichtig. Was erst mal kein Problem ist. Es gibt unterschiedliche Modelle:

  • Monatliche Zahlung für je 9,99 €
  • Jährliche Zahlung für 38,99 €
  • 2 Jahre für 59,99 € (nur über die Webseite verfügbar)
  • Einmalige Zahlung für 42,99 €

Aber Achtung: Bei der angeblichen einmaligen Zahlung gilt das Abo nur für 5 Jahre und für bis zu 20.000 Fotos. Alles etwas undurchsichtig.

Die kostenpflichtige Version kann 3 Tage kostenlos getestet werden. (Achtung: Kündigung nicht vergessen!)

Photomyne - Workflow

Der Workflow unterscheidet sich leicht von der Fotoscanner App. Photomyne kann selbst Alben verwalten. Man hat also nach der Aufnahme alle Fotos sauber sortiert in einzelnen Alben.

Zum Fotografieren der Bilder geht man ähnlich vor. Der Blitz/Smartphone-Licht wird bei der App nie verwendet. Auch sonst gibt es erst mal keine weiteren Optionen.

Praktisch an der App: Man kann eine komplette Seite eines Albums mit mehreren Fotos gleichzeitig fotografieren. Die App erkennt die unterschiedlichen Fotos und schneidet diese entsprechend zurecht. Allerdings sinkt dadurch natürlich auch die Auflösung pro Foto.

Bei jedem Foto erfolgt automatisch eine Nachbearbeitung und Korrektur der Aufnahme durch die App. Auch bei Photomyne ist eine manuelle Korrektur der Kanten über die Galerie möglich.

Anschließend können die Fotos auf das Smartphone exportiert werden oder eben über die Cloud von Photomyne abgerufen werden.

Photomyne Verwendung

Photomyne - Ergebnis

Auch hier ein Vergleich mit dem Referenzfoto:

Dokumentenscanner vs Photomyne (Referenzfoto vs. Photomyne)

Die Ergebnisse sind ähnlich zum Google Fotoscanner. Deutliche Farbabweichungen und wenig Details. Von den Farben jedoch etwas besser als bei Google und die Auflösung ist höher. Dafür gibt es zusätzlich eine deutlichen Verzerrung im Vergleich zum Referenzbild.

  • Dateigröße: 1,1 MB
  • Auflösung: 3400 x 2300 px

Smartphone: CamScanner

Als dritte Smartphone-App kommt noch CamScanner in Frage. CamScanner möchte viel mehr sein als eine reine "Scan-App" für Fotos, sondern möchte auch das Scannen von Dokumenten inkl. OCR übernehmen.

Link zur Herstellerseite: https://www.camscanner.com/

CamScanner - Datenschutz

CamScanner glänzt mit insgesamt 12 Trackern in der App. Alles was Rang und Namen ist mit an Board:

Link zum Exodus Report

Es gibt auch hier keine Option, die Tracker zu deaktivieren. Dafür gibt es immerhin keinen ungewollten Cloud-Upload, sondern die Fotos bleiben erst mal lokal gespeichert.

Trotzdem nicht unbedenklich.

CamScanner - Betriebssysteme

Die App ist sowohl für iOS (iPhones) als auch für Android verfügbar.

CamScanner - Preis

CamScanner ist eine Lösung, die deutlich mehr kann als nur Fotos "scannen". CamScanner hat auch eine OCR-Funktion und vieles Weiteres mit dabei.

Zum einfachen Digitalisieren von Fotos reicht die kostenlose Version. Soll es dann etwas mehr sein bzw. wird die höchste Auflösung gebraucht, wird die Premium-Version für 49,99 € pro Jahr fällig. Die Preisstruktur ist deutlich übersichtlicher als bei Photomyne.

CamScanner - Workflow

Der Workflow ist sehr ähnlich zu den anderen beiden Apps. CamScanner sortiert die Fotos nach dem Aufnehmen in automatisch generierte interne Alben. Nachdem man ein Foto abfotografiert hat, erscheint jedoch sofort die Kantenkorrektur, welche man im Normalfall nur bestätigen muss. Dies ist ein sehr sinnvoller Workflow, denn so bleibt einem das spätere Prüfen und Anpassen des Ergebnisses erspart und man kommt mit deutlich weniger Schritten aus.

Kantenkorrektur CamScanner

(Kantenkorrektur bei CamScanner direkt nach dem Fotografieren)

Möchte man nun in der kostenlosen Version die Fotos exportieren, selektiert man einfach alle Fotos und wählt "Teilen" und "in JPG-Format teilen" aus. Anschließend kann man auswählen, wo die Fotos auf dem Smartphone gespeichert werden sollen. Fertig.

CamScanner - Ergebnis

Dokumentenscanner vs CamScanner

(Referenzfoto vs. CamScanner)

CamScanner kann, obwohl das gleiche Smartphone verwendet wurde, die besten Ergebnisse erzielen. Farbdetails (Halsband) und auch Feinheiten (Finger) sind deutlicher zu erkennen als bei Google Photoscanner und Photomyne. Die Auflösung ist ähnlich hoch wie bei Photomyne, das Ergebnis jedoch deutlich detailreicher. Interessanterweise hat CamScanner trotz der hohen Auflösung die kleinste Dateigröße. Die Verzerrung hält sich in grenzen. Während es beim Google Fotoscanner eher zu einer leichten horizontalen Streckung gekommen ist, hat CamScanner eher eine leicht vertikale Streckung.

  • Dateigröße: 1,0 MB
  • Auflösung: 3400 x 2400 px

Abfotografieren mit der Spiegelreflex

Als letzte Option bleibt noch das Abfotografieren der Fotos mit der Spiegelreflex oder einer anderen guten Kamera und das anschließende Nachbearbeiten am PC mit ScannedImageExtractor und Digikam.

Link zur Projektseite von ScannedImageExtractor: http://www.dominik-ruess.de/scannerExtract/

Spiegelreflex - Datenschutz und Preis

ScannedImageExtractor ist Open Source Software und unterliegt der GPLv3. Was das Thema Datenschutz und Preis angeht, sind wir hier also auf der sicheren Seite.

Spiegelreflex - Workflow

Der grundlegende Workflow ist einfach:

1.) Foto(s) abfotografieren (ohne Blitz).

2.) Auf den PC übertragen.

3.) scannedImageExtractor starten.

4.) Bild laden, speichern, fertig.

Damit ich die Fotos meiner Spiegelreflex laden konnte, musste ich bei mir allerdings die Bilder von YYY.JPG zu YYY.jpg umbenennen.

Die Erkennung des Fotos erfolgt je nach Hintergrund ähnlich zuverlässig wie bei den Smartphone Apps. Die Smartphone-Apps haben hier aber nie Nase vorn. Auch bei scannedImageExgtractor können, wie auch bei Photomyne, mehrere Fotos auf einmal erfasst werden. Allerdings reduziert sich auch dann natürlich wieder die Qualität.

Der Workflow dauert nicht viel länger als bei den Smartphoneapps, da das Fotografieren mit der Spiegelreflex schnell geht und man in scannedImageExtractor über die Pfeil-Buttons von einem Foto zum nächsten springen kann. Da scannedImageExtractor, wie der Name schon sagt allerdings die Arbeit mit einem Scanner im Fokus hat, versucht die Applikation auch gar nicht erst Verzerrungen durch die Aufnahme auszugleichen. Hier muss man also besonders darauf achten, dass die Fotos gerade und ohne Krümmung fotografiert werden.

scannedImageExtracor

Je nach Ergebnis kann es noch sinnvoll sein, die Farben in Digikam korrigieren zu lassen.


Hinweis:

Die Installation von scannedImageExtractor war bei mir unter Manjaro ein wenig hakelig. Es ist zwar im AUR verfügbar, allerdings scheiterte der Download von Sourceforge. Ich haben dann den Download-Pfad im Build-Script angepasst und konnte es so erfolgreich installieren.

Die letzte Entwicklung an der Software ist 2015 passiert.


Spiegelreflex - Ergebnis

scannedImageExtractor Ergebnis (vor der Digikam Autokorrektur)

Autocorrect Digikam (nach der Digikam Autokorrektur)

Dokumentenscanner vs Spiegelreflex (Referenzfoto vs. Spiegelreflex)

Dateigröße: 2,4 MB Auflösung: 3500 x 2300 px

Nach der Autokorrektur mit Digikam, sind die Farben und auch die Farbdetails (Halsband) am besten. Von der Qualität bei den Details (Finger) kann das Abfotografieren mit der Spiegelreflex mit CamScanner erstaunlicherweise nicht ganz mithalten. Allerdings kann hier man hier mit der "Schärfen"-Funktion von Digikam noch ein wenig korrigieren und sieht dann ähnlich viele Details. Vermutlich arbeitet hier auch CamScanner einfach mit einer stärkeren digitalen Nachbearbeitung.

Fazit

Wer hätte schon gedacht, dass Google die datenschutzfreundlichste Android-App ins Rennen schickt? Aus Datenschutzsicht ist nur der Google Fotoscanner und das Fotografieren mit der Spiegelreflex mit anschließender Nachbearbeitung unter Linux unbedenklich.

Die besten und schnellsten Ergebnisse erhält man mit der CamScanner App, allerdings muss man hier mit den integrierten Trackern leben.

Photomyne fällt wegen der Datenschutzbedenken und auch der Foto-Ergebnisse komplett raus.

Der Unterschied zum Dokumentenscanner ist bei allen Varianten erheblich. Wenn möglich, sollte man also immer die Fotos entnehmen und mit einem ordentlichen Scanner einscannen oder auf die Negative zurückgreifen. Somit entfällt dann auch das Problem von Verzerrungen. Wenn sich nur komplette Seiten aus dem Album entnehmen lassen, dann kann man auch mit einem Flachbettscanner und anschließend scannedImageExtractor arbeiten.

Der Aufwand ist für alle Varianten ähnlich hoch und alle Varianten liefern halbwegs brauchbare Ergebnisse. Fest eingeklebte Fotos machen aber trotzdem einfach keinen Spaß.

Ich persönlich werde wohl, wo es gar nicht anders geht, die CamScanner App in Kombination mit Blokada nutzen.


Hinweise: