Muttertag

Wertschätzung am untersten Limit

Heute ist #Muttertag und natürlich kommt nicht nur die Werbeindustrie auf die Idee, diesen Tag mit “Wertschätzung” zu vermarkten. Den Rest des Jahres herrscht dann zwar wieder Ebbe, aber so lange es Pralinen gibt, lohnen sich natürlich die Strapazen, die Frau sich aufladen muss, um in einem “durchoptimierten” kapitalistischen Land Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen.

Wer wirbt noch? Pflegeeinrichtungen. Womit? Mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wie toll das bei den ganzen Müttern doch klappen würde. Die Realität sieht in vielen Fällen jedoch anders aus und hier und da schimmert der Unfug durch rhetorisch geschliffene Werbetexte und Muttertagssprüche.

Mein Highlight dieses Jahr:

“Gute Mütter haben verstaubte Regale, volle Wäschekörbe, schmutzige Fenster, ungemachte Betten & glückliche Kinder”

So zu lesen auf einem Muttertagspräsent einer Klink. Die Frage, weswegen die Regale verstaubt sind soll man sich wohl zusammenreimen aus dem Verweis auf glückliche Kinder. Keinesfalls kann es etwas mit Unterbesetzung im Stationsalltag, Überstunden und Holen aus dem Frei zu tun haben. Oder mit einem Ehemann und Vater, der offenbar außen vor ist, wenn es um #Care-Arbeit im Haushalt geht.

Noch vollmundiger sind die Kliniken, die sich gleich eine Kronzeugin leisten, die ihnen belegt, wie fantastisch man Beruf und Familie vereinbaren kann. Zum Beispiel das Herzzentrum Leipzig Link

Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. Erst recht, wenn beide Eltern ihre Tätigkeit im Schichtbetrieb versehen. Ein Kind, oder gar zwei, können da schon zu einer zusätzlichen Herausforderung werden. Doch was tun, wenn sechs Kinder zur Familie gehören?

Und der Artikel liefert auch gleich die Antwort: die Frau muss etwas tun bzw. Ihre Angehörigen, denn die Klinik muss auf jeden Fall gar nichts tun:

Zugleich schafft es die junge Mutter, im Herzzentrum Leipzig als Gesundheits- und Krankenpflegerin zu arbeiten. Im Dreischichtsystem. Für ihre Kollegen auf der Station sei diese, ihre Situation, längst Normalität. „Ich komme nicht später, gehe nicht früher als andere und habe auch sonst keinen Sonderstatus“, betont sie.

Was genau ist für die Station denn diese Normalität, wenn sich gar kein Sonderstatus ergibt? Dann ändert sich für die Klinik überhaupt nichts.

Ich möchte nicht behaupten, dass es unmöglich sei Kinder und Beruf zu vereinbaren. In der Regel geht dies jedoch mit Arbeitszeitreduzierung und damit finanzieller Belastung einher. Und die wenigsten haben das Glück eine verständnisvolle Stationsleitung zu haben oder das Privileg selbst den Dienstplan vorzugeben. Schlußendlich ist es überhaupt nicht möglich beim derzeitigen #Pflegenotstand derlei ohne Einschnitte zu regeln, denn selbst wenn alle Mütter so arbeiten, wie sie den Dienst brauchen, müssen entweder andere ran, die eben keine Kinder haben oder die Schicht ist nicht sinnvoll besetzt. Man wählt somit grundsätzlich lediglich das kleinere Übel. Von einer für alle Beteiligten sinnvollen Lösung ist man Lichtjahre entfernt und seit 20 Jahren tut sich da auch nichts. Vermutlich sogar noch länger.

In keiner Weise geeignet sind jedoch Positivbeispiele, die lediglich suggerieren, es Läge an der Mutter, wenn es nicht klappt mit dem Haushalt, der ja offenbar immer noch Frauensache ist. Nur wenn der Beruf darunter leiden würde, ist es legitim sich die Hilfe des Ehemannes oder anderer Angehöriger zu holen. So lange dieses Frauenbild durch den Muttertag geistert, sollte man ihn eigentlich ignorieren, denn er ist mitnichten wertschätzend, auch wenn natürlich viele es ehrlich so meinen.